Wichtige Entscheidungen aus der Spruchpraxis: Overwatch 2

Ein Gastbeitrag der Ständigen Vertreter*innen der OLJB bei der USK.

Das Online-Spiel „Overwatch“ wurde im Jahr 2015 bei der USK mit „freigegeben ab 16 Jahren“ gekennzeichnet. Im Appellationsverfahren, der höchsten Entscheidungsinstanz der USK, wurde das Nachfolgespiel „Overwatch 2“ nun ab 12 Jahren freigegeben. Wie kommt’s? 

„Overwatch“ ist ein Online- Shooter, bei dem sowohl die Gestaltung der Spielfiguren als auch die Spielumgebung von typischen Attributen eines bunten, comicartigen Science-Fiction- und Fantasy-Settings bestimmt sind. Die Spieler*innen wählen ihren Charakter aus einer Vielzahl von überzeichneten Comic-Figuren mit unterschiedlichen Waffen und Spezialisierungen aus und treten in rasanten Online-Duellen in 5er-Teams gegeneinander an. Mit Geschick, Taktik und wuchtigen Waffen müssen die Spieler*innen aus der First-Person-Perspektive bestimmte Aufgaben erledigen bzw. das gegnerische Team am Erledigen solcher Aufgaben hindern. Treffer werden mit überladen-bunten Licht- und Explosionseffekten visualisiert, doch die Charaktere nehmen dabei keinen ernsthaften Schaden. Verwundungen oder Bluttexturen werden nicht dargestellt.
Mit „Overwatch 2“ sind einige neue Charaktere und Spielmodi hinzugekommen. Das Spielprinzip, Gameplay und die Visualisierung entsprechen im Kern jedoch dem Vorgänger. Von daher kann die unterschiedliche Alterseinstufung auf den ersten Blick durchaus irritieren.

Intensive Diskussion zwischen „USK 12“ und „USK 16“

Sowohl bei der Alterseinstufung von „Overwatch“ als auch zu „Overwatch 2“ haben die USK-Prüfgremien intensiv zwischen einer Freigabe ab 12 Jahren und ab 16 Jahren diskutiert. Im Mittelpunkt der Diskussion stand jeweils das Spannungsfeld zwischen einem Spielprinzip, basierend auf Einsatz von Waffengewalt versus einer taktischen Spielverabredung mit comicartigen Visualisierung ohne Gewaltdarstellungen. Wie immer in den USK-Prüfgremien war die zentrale Fragestellung: Was macht das mit Kindern?

Für das Spiel „Overwatch“ beantwortete das USK-Prüfgremium diese Frage wie folgt: „Für die jüngsten Spieler*innen der Altersgruppe ab 12 Jahren wurden (…) noch Beeinträchtigungen in Form von emotionaler Überforderung angenommen. Auch steht den Spieler*innen ein umfangreiches virtuelles Waffen- und Munitionsarsenal sowie bei einigen Spielcharakteren auch Scharfschützenwaffen zur Verfügung, was den militärisch-martialischen Eindruck im Spielgeschehen unterstreicht. Insbesondere die in den Kampfszenen herrschende Dynamik sowie die fehlenden alternativen Handlungsmöglichkeiten könnten (…) bei 12jährigen Kindern zu Entwicklungsbeeinträchtigungen in Form von sozial-ethischer Desorientierung führen.“ (Zitat aus dem Jugendentscheid von Overwatch)

Entsprechend wurde das Spiel „Overwatch“ 2015 mit einer USK 16 gekennzeichnet. Sieben Jahre später diskutierte der USK-Appellationsausschuss die Freigabe des Nachfolgespiels im gleichen Spannungsfeld ebenfalls zwischen „USK 12“ und „USK 16“, gelangte final jedoch zu der Auffassung, „dass ab 12-Jährige vor dem Hintergrund ihrer kulturellen Alltagspraxis und ihrer vielfältigen und komplexen medialen Erfahrungen im Stande sind, die Spielanlage, die Spielverabredungen und den fiktional-phantastischen Charakter des Spielgeschehens zu erkennen und so einzuordnen und zu verarbeiten, dass entwicklungsbeeinträchtigende Wirkungen nicht zu befürchten sind. Spieler*innen dieser Altersgruppe verfügen über hinreichende kognitive Fähigkeiten und die erforderliche Rahmungskompetenz, um schützende Distanz zu den Spielinhalten aufzubauen, so dass eine emotionale Überlastung ausgeschlossen werden kann. Auch kann davon ausgegangen werden, dass ab 12-Jährige länger anhaltende Spannung und größeren Handlungsdruck bei der Erfüllung von Spielaufgaben verkraften. Für ab 12-Jährige steht auch eine Gewöhnung an Gewalthandlungen und damit eine gewaltfördernde Wirkung nicht zu befürchten, auch sind desensibilisierende Effekte nicht anzunehmen.“ (Zitat aus dem Jugendentscheid von Overwatch 2)

Fazit

Die unterschiedliche Alterseinstufung der beiden Overwatch-Spiele mag auf den ersten Blick etwas irritieren, da die Spiele in Bezug auf Spielziel, Gameplay und Visualisierung doch sehr ähnlich sind. Zu berücksichtigen ist jedoch auch, dass beide Spiele von den unterschiedlichen USK-Prüfgremien sehr intensiv zwischen „USK 12“ und „USK 16“ diskutiert wurden. Dabei wurde die Freigabe-Entscheidung zu „Overwatch 2“ sieben Jahre nach der Entscheidung zu „Overwatch“ getroffen. Mit seiner Entscheidung für eine weitergehende Freigabe für „Overwatch 2“ hat der USK-Appellationsausschuss auch den sich in diesem Zeitraum veränderten Rezeptionsgewohnheiten und der Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen Rechnung getragen.