Beschlagnahmt, indiziert, gekennzeichnet: Hintergründe zur Alterskennzeichnung des Spiels „Wolfenstein 3D“

Vor knapp 25 Jahren wurde der First-Person-Shooter „Wolfenstein 3D“ in Deutschland aufgrund von Symbolen und Bildern aus der Zeit des Nationalsozialismus durch einen Gerichtsbeschluss beschlagnahmt. Kurze Zeit später indizierte auch die damalige Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (heute: Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz) das Spiel. Mit der Aufhebung der Beschlagnahme im September 2019 und der Listenstreichung durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) vom Oktober 2019 konnte das Spiel vom Anbieter zur Alterskennzeichnung bei der USK vorgelegt werden. Nach der jugendschutzrechtlichen Prüfung durch ein unabhängiges Gremium bei der USK, hat das Spiel nun eine Altersfreigabe ab 16 Jahren erhalten.

Aufgrund der Aufhebung der Beschlagnahme sowie der anschließenden Listenstreichung entfiel bei der USK die Prüfung einer möglichen „Jugendgefährdung“ nach den Kriterien der BPjM. Folglich konnte sich das USK-Gremium auf die Prüfung der „Jugendbeeinträchtigung“ konzentrieren sowie die inzidente Berücksichtigung der Sozialadäquanz.

Das USK-Prüfgremium kam übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die Spielaufgabe in „Wolfenstein 3D“ eindeutig darin besteht, als Gegner des Nationalsozialismus gegen Figuren des Nazi-Regimes   aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs zu kämpfen, diese mit virtuellen Schusswaffen zu besiegen und die Ausgänge aus den gleichförmigen labyrinth-artigen Leveln zu finden. Die in dem Spiel enthaltenen Symbole des Nazi-Regimes, wie z.B. Hakenkreuz-Banner und überzeichnet wirkende Hitler-Portraits, dienen nach einhelliger Auffassung des Prüfgremiums lediglich als künstlerisches Stilmittel zur Erzeugung einer bedrohlichen Atmosphäre in einer ansonsten künstlichen und unrealistischen Spielwelt. Das Prüfgremium stellte zudem fest, dass in diesem Spiel eine klar erkennbare Gut-Böse-Orientierung gegeben ist, so dass sozial-ethisch desorientierende Botschaften für die Altersgruppe ab 16 Jahren ausgeschlossen wurden.

Seit wann dürfen Spiele, die Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen enthalten, bei der USK geprüft werden?

Seit 2018 ist es der USK möglich Spiele zu prüfen, die Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach § 86a StGB enthalten. Hintergrund war die Änderung der Rechtsauffassung der Obersten Landesjugendbehörden (OLJB), nicht mehr grundsätzlich auszuschließen, dass die Verwendung der verbotenen Kennzeichen im Spielkontext genauso wie bei Filmen sozialadäquat sein kann. Sozialadäquat bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Symbole verfassungsfeindlicher Organisationen in einem digitalen Spiel verwendet werden können, sofern dies der Kunst, der Wissenschaft oder der Darstellung von Vorgängen des Zeitgeschehens sowie der Geschichte dient. Am grundsätzlichen Verbot von Kennzeichen gem. § 86 a StGB hat sich jedoch nichts geändert.

Wie wird die USK ihrer Verantwortung bei der Prüfung derartiger Spiele gerecht?

Im Vordergrund der USK-Prüfungen steht weiterhin die jugendschutzrechtliche Bewertung. Rechtsgrundlage dafür ist das Jugendschutzgesetz (JuSchG). Im Verfahren zur Alterskennzeichnung nach dem JuSchG ist die potenziell von einem Medieninhalt ausgehende Gefährdung  für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder die Beeinträchtigung ihrer Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu bewerten. Die Sozialadäquanzklausel wird hier also inzident im Rahmen der Prüfung einer möglichen Jugendgefährdung  berücksichtigt.

Die unabhängigen Prüfgremien bei der USK schauen sich daher jedes Spiel im Einzelfall an und stellen fest, ob Tatbestände der Jugendgefährdung, wie z.B. die Verherrlichung oder Verharmlosung der NS-Ideologie bzw. Verrohung durch Banalisierung des Nationalsozialismus festgestellt werden können, die eine Altersfreigabe durch die OLJB ausschließen. Dabei werden unter anderem Kriterien einbezogen, wie Distanzierung und kritische Rahmung (wie z.B. durch Satire und Überzeichnung), Handlungsoptionen der Spieler*innen auf mögliche Vermittlung sozial-ethisch desorientierender Botschaften sowie ein deutlich erkennbares Gut-Böse-Schema. Können keine Anhaltspunkte für eine Jugendgefährdung gesehen werden, geht das Gremium davon aus, dass die Verwendung sozialadäquat ist.

Wie viele Spiele wurden der USK seit der Änderungen ihrer Prüfpraxis vorgelegt?

Seit der Änderung der Rechtsauffassung im August 2018, dass Computerspiele zur Prüfung bei der USK zugelassen werden, auch wenn sie Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen enthalten, wurden 21 Titel zur Prüfung in einem Verfahren nach dem JuSchG eingereicht. Vor dem Hintergrund der veränderten Verwaltungspraxis wurden auch viele internationale Versionen vorgelegt, die zuvor bereits in einer für den deutschen Markt veränderten Fassung ohne Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gem. § 86a StGB vorgelegt und gekennzeichnet wurden. Die Bandbreite der Genres und Settings ist vielfällig: Vom klassischen Adventure in der Kategorie Serious Games, über das „Nachspielen“ des Widerstands gegen die nationalsozialistischen Besatzer, bis hin zu First- oder Third-Person-Shooter, bei denen den Spieler*innen die Aufgabe zukommt, in der Rolle der eigenen Spielfigur „Hakenkreuz-Träger*innen“ mit virtueller Waffengewalt zu bekämpfen.

Jugendschutz befindet sich stets im Wandel und ist Teil eines gesellschaftlichen Entwicklungsprozesses. Die Erweiterung der Leitkriterien zur Berücksichtigung der Sozialadäquanz in Spielen war ein wichtiger Schritt zur Gleichbehandlung von Games mit anderen Medienarten als Kunst- und Kulturgut.

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